Schiffsbekohlung [1]

[656] Schiffsbekohlung, s.a. Haufenlager, Kipper, Lokomotivbekohlung, Massentransport, Taschen und [1]. An mechanischen Einrichtungen zum Löschen (s.d.) und Laden (s.d.) von Schiffen kommen vor allem in Betracht Vorrichtungen, welche das Gut 1. von einem Schiff in ein andres oder 2. vom Schiff zum Speicher, Schuppen oder Lagerplatz bezw. umgekehrt oder 3. zwischen Schiff und Eisenbahnwaggon oder Landfuhrwerk befördern. Eine der wichtigsten hierhergehörigen Aufgaben liegt in der Bekohlung von Seeschiffen der Handels- wie auch namentlich der Kriegsflotte.

Bereits 1895 wurden von dem französischen Dampfer »Richelieu« während einer Fahrt von 6,5 Knoten in drei Stunden 100 t Kohlen mit dem Temperley-Förderer (Vertreter: Arthur Koppel, A.-G., in Berlin) aufgenommen; vgl. Krane für Massentransport, Fig. 16. Diese einfache Vorrichtung besteht aus einem Träger (Fig. 1), der an einem Kranmast aufgehängt ist und durch Flaschenzüge in geneigter Lage gehalten wird, einer Laufkatze und einem Seil. Der Laufwagen (Fig. 2 und 3) kann sich selbsttätig an verschiedenen Stellen seiner Bahn zur Be- bezw. Entladung feststellen. Diese Haltepunkte werden meist in 1,5 m Entfernung angeordnet; doch steht nichts im Wege, noch mehr solcher Stellen vorzusehen. Jede beliebige Trommelwinde ist zum Heben der Last und zum Bewegen der Katze geeignet. Letztere kann auf dem Ausleger nicht verschoben werden, bevor nicht Wagen und Last fest miteinander gekuppelt sind; umgekehrt findet eine Entkupplung erst statt, nachdem der Wagen festgestellt worden ist, und nun ist während des Hebens oder Senkens der Last keine Bewegung auf den Trägern möglich [2]. Fig. 2 zeigt den Wagen in der Haltestellung, Fig. 3 in der für den Lauf eingerichteten Zusammensetzung. Die beiden Seitenschilder der Laufkatze tragen eine Rolle r, über welche das Lastfeil l zu der am Vorderende des Auslegers befindlichen Rolle und über weitere Rollen zu einer Winde geführt wird. Unmittelbar über dem Haken ist am Lastfeile ein Ball b beteiligt, der beim Aufziehen zunächst einen Sperrhebel h auslöst, welcher in der Platte p drehbar gelagert ist, und dann die letztere vermitteln des Fingers f um den Rollenbolzen dreht,[656] wobei er sich in den Ausschnitt der Platte legt. Infolge der Drehung von p tritt der daran befestigte Stift s in die Ausklinkung der Platte u. diese um ihren Festpunkt drehend. Mit Hilfe eines Stiftes t wird dadurch die Doppelplatte d so verschoben, daß ihr Zahn aus der Lücke der Anschlagleiste v heraustritt; es gehen also die einzelnen Teile aus der Lage der Fig. 2 in diejenige der Fig. 3 über. Die Katze ist nun ausgelöst und wird bei weiterem Anziehen des Seiles mit der Last nach links verfahren. Hierbei flößt die an der Zahnplatte d befestigte Federklinke gegen den nächsten Anschlag Fig. 4 und geht in die Lage der Fig. 5 über, ohne Einfluß auf die Zahnplatte auszuüben. Hat die Last die Ladestelle erreicht, was der Wärter an der Zahl der Anschläge der Federklinke berechnet, so läßt er das Seil ein wenig nach, die Katze läuft etwas abwärts, die Klinke flößt gegen den Anschlag (Fig. 6), die Zahnplatte d erfährt eine Drehung, so daß der Zahn in die Zahnlücke tritt, die einzelnen Platten werden zurückgedreht, und die Last kann gesenkt werden. Etwa 40–60 t/Stunden können auf diese Weise bewältigt werden [3], und man kann sogar ohne Schaden bei bewegtem Wasser, beim Rollen der Schiffe laden und entladen. Bei großer Einfachheit ist die Anordnung recht kräftig. Ein 18 m langer Ausleger, auf dem 3–3,5 t wiegende Stücke befördert werden können, wiegt mit allem Zubehör noch nicht ganz 2,7 t. Die schräg hängenden Bäume können gedreht werden, um leichter überallhin gelangen zu können: Die größte Ausladung wird durch röhrenförmige Träger erzielt, an welche eine Schiene für die Laufkatze angehängt wird; es sind Bäume von über 25 m Länge ausgeführt. Allein die englische Flotte benutzt über 500 solcher Krane. Fig. 7 zeigt einen am Kran des Kriegsschiffes »Massachusetts« aufgehängten Förderer; er wird durch eine der Schiffswinden bedient und trägt bei 2,7 t Eigengewicht die gleiche Last. Die Ausladung über die Schiffswand hinaus beträgt 9 m, so daß aus einem 7,5 m entfernten Leichter noch Kohlen entnommen werden können.

Die vorhin erwähnten größeren Leistungen sind bei Stillstand der Fahrzeuge erfolgt. Dabei kann der Tragbaum in einem Kran des zu bekohlenden Kriegs- oder Handelsdampfers hängen, oder mit diesen Vorrichtungen ausgestattete Kohlenschiffe übernehmen sowohl das Heranbringen als das Ueberladen der Kohlen (Fig. 8); vgl. a. [4].

In neuerer Zeit ist man nun (wie auf dem Lande, s. Speicher) dazu übergegangen, außer den Fördermitteln auch die Lagermittel für diesen Zweck mehr und mehr zu vervollkommnen, d.h. man hat schwimmende Speicher gebaut [5]. Die im folgenden beschriebene Anlage ist gebaut worden, um Schiffen der englischen Kriegsmarine eine schnelle Kohlenübernahme zu ermöglichen. Die unmittelbare Veranlassung hierzu gaben die besonderen Verhältnisse im Hafen und auf der Reede von Portsmouth. Der schwimmende Speicher besteht aus dem in Form eines großen Prahmes gebauten Schiffskörper, der auf der Werft von Swan & Hunter in Wallsend-on-Tyne hergestellt wurde, und vier an Deck auf einem Gleis verschiebbaren Türmen aus leichter Eisenkonstruktion, die mit Temperley-Verladevorrichtungen versehen sind. Alle Vorrichtungen werden durch Elektrizität angetrieben, die in einer am hinteren Ende des Prahmes unter Deck gelegenen Kraftstelle erzeugt wird. Fig. 9 gibt eine äußere Ansicht der Anlage, von deren bedeutendem Umfang man sich einen Begriff machen kann, wenn man den davorliegenden Dampfer beachtet, der trotz seiner recht ansehnlichen Größe von 7000 t gegenüber dem Speicher winzig aussieht. Der schwimmende Speicher hat keinen eignen Antrieb, da die Form des Schiffskörpers, bei der nur auf möglichst große Ladefähigkeit Rücksicht genommen ist, für eignes Manövrieren zu unbeholfen ist; zum Verholen wird daher stets die Hilfe von Schleppern in Anspruch genommen.

Die Einrichtung des Speichers ist aus den Fig. 1012 ersichtlich. Der Innenraum ist durch sechs Querschotte in lieben Abteilungen zerlegt, von denen die fünf mittleren die Kohlen[657] enthalten, während sich an den beiden Enden die Räume für Mannschaft und Gerätschaften sowie Kessel- und Maschinenraum der elektrischen Anlage befinden. Der Schiffsboden ist vollständig flach, die Seitenwände von vorn bis hinten senkrecht, Vorder- und Hinterteil prismatisch gestaltet. Ein Doppelboden erstreckt sich über die ganze Länge des Schiffes; darüber läuft in etwas über Mannshöhe ein Raum von Schott 1 bis 5 durch, in welchen die Fülltrichter hineinragen, aus denen die Kohle in Säcke gefüllt wird. Die Säcke können hier in beträchtlicher Anzahl, bis rund 1000 t Füllung, bereitgehalten werden, um sofort an Bord der zu bekohlenden Schiffe befördert zu werden. Die Kohlenräume (Fig. 12) sind in der Längsrichtung des Schiffes durch 2,74 m breite Mittelschächte getrennt, die bis zum Deck durchlaufen und hier durch Lukendeckel geschlossen werden; die Schächte der verschiedenen Abteilungen stehen nicht untereinander in Verbindung, weil man nicht die wasserdichten Schotte durchbrechen durfte. Jede Abteilung hat zwei lange Deckluken, durch welche die Kohlensäcke bequem nach oben geschafft werden können. Aus den Pforten in der Höhe des Fußbodens werden die Säcke auf Handwagen in den Mittelgang geschafft und von hier zu je ungefähr zehn Stück zusammen an Deck und weiter in die zu bekohlenden Schiffe befördert.

Besonders bei Walliser Kohle, die hauptsächlich in der englischen Kriegsmarine verwendet wird, die aber viel große Stücke enthält, war es bisher schwierig, die Trichter der Kohlenschütten von Verstopfungen frei zu halten, zumal wenn das Gewicht der darüberliegenden Kohlenmenge darauf drückte. Um diesem Mißstand abzuhelfen, hat die Temperley Co. in einiger Entfernung über den Trichtern schräge Platten angeordnet, die den Druck der Kohle aufnehmen und zugleich den zur Beseitigung etwaiger Verstopfungen angestellten Arbeitern Schutz gewähren. Die mit dem Trimmen von Kohlen in großen Räumen beschäftigten Leute waren bisher immer der Gefahr ausgesetzt, von den herabstürzenden Masten verschüttet zu werden. Die Fülltrichter sind am unteren Ende durch von Hand bewegbare Schieber verschließbar, so daß jeweils nur ein Sack gefüllt wird, der dabei mittels einer besonderen Vorrichtung um den Hals des Trichters festgespannt wird. Da in jeder Abteilung auf jeder Seite des Mittelschachtes 24 Trichter vorhanden sind, so kann gleichzeitig eine große Anzahl Säcke gefüllt werden. Der sich in den Füllräumen entwickelnde Kohlenstaub wird mittels elektrisch betriebener Gebläse durch zahlreiche Leitungen abgesaugt und in besondere Behälter geleitet. Außer den mittleren Luken, aus denen die Kohle entnommen wird, sind auf beiden Seiten des Decks mitten über den Lagerräumen je zehn Oeffnungen angeordnet, durch die der Kohlenvorrat in sehr kurzer Zeit aufgefüllt werden kann. Das aus Blechplatten zusammengenietete Untergestell der Türme enthält die Antriebmotore zum Verschieben auf dem in der Mitte des Decks verlegten Gleise. Jeder Turm ruht auf zwölf Rädern, die zu je dreien angeordnet sind. Auf dem Untergestell erhebt sich eine leichte Konstruktion aus Profileisen, welche oben das Führerhäuschen und zwei seitliche, je 6 m über die Bordwand hinausragende Ausleger trägt. Außerdem ist in Spurlagern[658] auf jeder Seite des Untergestelles in der Kielrichtung des Schiffes ein als Gitterträger ausgebildeter Ladebaum gelagert, der oben von zwei Flaschenzügen gehalten wird und in verschiedenen Höhen eingestellt werden kann. Jeder dieser Ladebäume trägt einen der bekannten Temperley-Träger (s. oben). Die Leistung der Anlage beim Verladen von Kohle beträgt im ungünstigsten Falle 500 t/Stunden, also etwas mehr, als zwei große Kriegsschiffe in derselben Zeit übernehmen können. Bei beschleunigtem Betriebe, d.h. wenn sämtliche Kohlentrichter bedient werden, können rund 700 t/Stunden abgegeben werden. Der Speicher hat sich so gut bewährt, daß jetzt schon ein ähnlich eingerichtetes Fahrzeug für 20000 t Kohlen gebaut ist [6].


Literatur: [1] Buhle, Massentransport, Stuttgart 1908, S. 354 ff. – [2] Berndt, Eisenbahntechnik der Gegenwart, Bd. 2, 3. Abschnitt. – [3] Engineer 1898, S. 252. – [4] Schwarz, T., Die Bekohlung der Kriegsschiffe bezw. Der Leue-Apparat zum Bekohlen von Kriegsschiffen in Fahrt, Jahrb. der Schiffbautechn. Gesellschaft, Bd. 7, 1906, S. 446 bezw. 476; vgl. a. Glasers Annalen 1908, II, S. 57 (System Feiten, Guillaume, Lahmeyer). – [5] Kaemmerer, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1906, S. 126 ff.; s. ferner ebend., S. 792 ff. – [6] Ebend. 1907, S. 1922 (schwimmender Speicher von 20000 t [!]).

M. Buhle.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5., Fig. 6.
Fig. 7.
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Fig. 8.
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Fig. 9.
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Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 12.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 656-659.
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